Im ersten Halbjahr 2023 befindet sich die deutsche Stahlindustrie in einer schwierigen Lage. Es gibt deutliche Produktionsrückgänge, eine schwache inländische Nachfrage und hohe Strompreise belasten die Branche erheblich. Insbesondere die Elektrostahlproduktion ist im Juni um drastische 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat gesunken. Die Rohstahlproduktion verzeichnete von Januar bis Juni einen Rückgang von 5,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wobei der Rückgang im Juni sogar bei 8,4 Prozent lag. Die Bauwirtschaft und hohe Produktionskosten sind maßgeblich für den Rückgang der inländischen Stahlnachfrage verantwortlich. Besonders betroffen von den hohen Strompreisen ist die stromintensive Elektrostahlherstellung, deren Produktion in den ersten sechs Monaten um 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken ist.
IEA warnt: Energieintensive Industrien in der EU unter Druck
Ein aktueller Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) zeigt, dass energieintensive Industrien in der EU mit erhöhten Energiepreisen zu kämpfen haben. Dies hat dazu geführt, dass fast zwei Drittel des Nettorückgangs der Stromnachfrage im Jahr 2022 auf diese Industrien zurückzuführen sind. Die IEA betont die schwierige Lage dieser Branchen und fordert politische Maßnahmen, um ihnen zu helfen und die Stromnachfrage wieder anzukurbeln. Dieser Bericht verdeutlicht die Herausforderungen, mit denen energieintensive Industrien konfrontiert sind, und unterstreicht die Bedeutung einer nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Energieversorgung.
Kerstin Maria Rippel, Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl, weist darauf hin, dass die deutsche Stahlindustrie erheblichen Belastungen ausgesetzt ist, vor allem aufgrund der immer noch zu hohen Strompreise. Sie fordert dringend politische Maßnahmen, um den Unternehmen in ihrer Transformationsphase zu helfen und ihre Wettbewerbsfähigkeit auf internationaler Ebene sicherzustellen.
Eine effiziente Stahlindustrie spielt eine entscheidende Rolle bei der Schaffung einer klimaneutralen Wirtschaft. Die Unternehmen in dieser Branche engagieren sich aktiv und möchten einen großen Beitrag leisten. Kerstin Maria Rippel betont die Bedeutung eines zeitlich begrenzten, bedingten und intelligent gestalteten Brückenstrompreises, um den Unternehmen bei ihrer Transformationsphase zu unterstützen und ihnen im internationalen Wettbewerb zu helfen.
Grüner Stahl ist von großer Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland, da er als Treiber und Verstärker bei der Umstellung auf eine klimaneutrale Wirtschaft wirkt. Insbesondere in stahlintensiven Branchen wie Bau, Automobil und Maschinenbau entfaltet er seine CO2-mindernde Kraft und trägt somit zur Reduzierung der Emissionen bei. Jede Tonne grüner Stahl hat direkte Auswirkungen auf die CO2-Bilanz der Abnehmerbranchen und unterstützt somit den Klimaschutz.
Das Gutachten des wissenschaftlichen Beirats des Finanzministeriums zum Brückenstrompreis vernachlässigt wichtige Aspekte, insbesondere die Bedeutung intakter Wertschöpfungsketten mit starken Grundstoffindustrien für den Industriestandort Deutschland. Rippel fordert daher zielgerichtete und konkrete politische Maßnahmen, um diese Wertschöpfungsketten zu unterstützen und den Industriestandort zu stärken.
Die geplante Streichung des Spitzenausgleichs im Haushaltsentwurf der Bundesregierung ist äußerst problematisch. Insbesondere in Zeiten schwacher Konjunktur und hoher Strompreise sendet dies ein fatales Signal an Industrieunternehmen, die sich zum Standort Deutschland bekennen. Es besteht die Gefahr, dass diese Unternehmen ihre Produktion ins Ausland verlagern und somit Arbeitsplätze in Deutschland verloren gehen.
Die Stahlindustrie kann einen erheblichen Beitrag zur klimaneutralen Wirtschaft leisten. Um dies zu ermöglichen, benötigen die Unternehmen der Branche jedoch politische Unterstützung. Ein zeitlich begrenzter und intelligenter Brückenstrompreis ist erforderlich, um den Unternehmen in ihrer Transformationsphase zu helfen. Der gesamte Wirtschaftsstandort Deutschland profitiert von einer starken Grundstoffindustrie und intakten Wertschöpfungsketten, die als entscheidender Erfolgsfaktor für den Industriestandort gelten. Eine ersatzlose Streichung des Spitzenausgleichs im Haushaltsentwurf der Bundesregierung würde hingegen ein negatives Signal senden.